Schreiben ist Spass für mich. Mir gefällt es, mit Worten und Wörtern zu spielen, Sätze und damit Bilder zu konstruiren. Ganz selten kommt es vor, dass es mich drängt zu schreiben, gestern war so ein Tag. Ich habe den ich weiss nicht wievielen tausenden von darüber schon geschriebenen Seiten eine weitere hinzugefügt. Dass das im Ergebnis so ausgefallen ist, mag sicherlich auch am gestrigen Alkoholpegel gelegen haben. Es gibt solche Tage, Geburtstage, Todestage, Weihnachten oder mag es auch Ostern sein, da wird das Erlebte übermächtig. Hin und wieder auch mal einfach so. Eigentlich wollte ich etwas anderes schreiben, jedenfalls hier.
Nunja, Versuch gescheitert, könnte man sagen. Aufgrund der Kommentare werde ich die Geschichte jetzt mal ganz erzählen, vielleicht wird dann auch klar, was ich mit so einem Post ausdrücken oder erreichen will. Normalerweise habe ich keine grosse Message, bestenfalls geb ich hier gelegentlich den Bad Guy, an dem ihr euch kommentierenderweise auslassen könnt. Wenn ich euch mit kleinen Geschichtchen und Episoden aus meinem Leben unterhalten kann, genügt mir das eigentlich. Andererseits -man beachte bitte mal die Kategorien, hier besonders "Alles halb so wild" - heisst das Grundprinzip: Man kann alles aushalten, jeden Nackenschlag wegstecken, um danach stärker als zuvor dem Leben entgegenzutreten, Tja, und manchmal, da tritt das Leben eben nach.
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Kurz vor Weihnachten 1987, die Einkaufsstrassen sind wie üblich schon seit 2 Monaten festlich kitschig dekoriert, worüber sich zwar jeder aufregt, aber dennoch in die Geschäfte rennt und Geld ausgibt, das er eigentlich nicht hat. Demian und Honey haben es. Sie haben in nichtmal anderthalb Jahren aus Thommy's mickriger Rock'n Roll-Klitsche ein florierendes Unternehmen gezaubert, wobei Honey's Part weitestgehend darin besteht aufzupassen, dass Demian nicht abhebt und seine Risikobereitschaft überreizt. Demian will noch eine Überraschung für Honey organisieren und muss sie dafür in der Unterhaltungselektronik-Abteilung parken. Als er zurückkommt, ist dort die Hölle los, aufgeregte Menschen drängeln sich um den Körper, der sich in wilden Zuckungen am Boden krümmt. Demian denkt noch, es sei eine ihrer üblichen, manchmal recht bösartigen Scherze, doch sie hört nicht auf damit.
2 Tage Krankenhaus bringen keinen Befund und sie sagt, sie wüsste von nichts mehr.
Es vergehen 2,3,4 Wochen und die Normalität kehrt wieder ein, allerdings geht sie in dieser Zeit zur Psychotherapie, wovon Demian nichts ahnt. Er weiss auch nicht, dass sie daheim sitzt und sich die Augen ausweint, während er schon wieder ganz in seinem Metier ist und dem Vorfall kaum noch Bedeutung zumisst. Auf ihre wilden Träume angesprochen, erklärt sie nur, irgendwelchen Mist geträumt zu haben.
Tun wir das nicht alle gelegentlich?
Nein, nicht in der Form und nicht so heftig. Wir wachen nicht schreiend auf, wir flehen auch nicht:"Nein, bitte nicht." Stundenlang.
Gespräche bringen nichts, sie verschliesst sich. Nach einigen Nachforschungen wird Demian klar, mit was er es zu tun hat: sexuelle Gewalt. Jedoch denkt er eher an eine Vergewaltigung. Fataler Fehler.
Am 30.03.1988 fährt er abends heim. Er schliesst die Tür auf. Geht ins Wohnzimmer.
Da hängt sie. Das Gesicht verfärbt. Kein Puls, kein Atem. Tot. Wahrscheinlich schon seit Stunden. Der Körper kalt. Er schneidet sie ab.
Auf dem Tisch liegt ein Abschiedbrief, Demian liest ihn. Nach der letzten Zeile ruft er seinen Bruder an, der soll sich um Polizei und sowas kümmern. Demian setzt sich ins Auto und fährt die knapp 400 km bis zum Haus ihrer Eltern. Er will wissen, warum.
Er will wissen, was einen Mann dazu bringt, sich an seiner eigenen kleinen Tochter zu vergehen. 4 Jahre lang.
Und danach wird er dieses kranke Hirn zu Matsch hauen.
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Dass ich dies heute aus Barcelona und nicht aus Santa Fu schreiben kann, verdanke ich seinen Nachbarn sowie der herbeigerufenen Polizei, die es irgendwie geschafft haben, dass noch ein bisschen Leben in ihm war, als sie mich wegzerrten.
Dafür haben sie mich verurteilt, 18 Monate, von denen ich 12 abgesessen habe.
Ich bin nicht gerade stolz auf das, was ich getan habe - aber ich würde es immer wieder tun.
Ich hoffe, er wacht jede Nacht seines verschissenen Lebens auf und sieht mich vor sich, spürt die Schmerzen, hört seine Knochen knacken und wenn er stirbt, werde ich auf seinem Grab tanzen. Er hat mir das Wertvollste genommen, was ich jemals hatte.
Ich hasse ihn so sehr, dass es mich manchmal, nach über 21 Jahren, immer noch treibt, hinzufahren und ihn zu töten. Und ich hasse seine Frau, Honey's Mutter. Sie ist immer noch bei ihm und ich frage mich oft, wer von beiden der Schlimmere ist.
Das ist die Geschichte von Honey und mir.
Und komm mir bitte keiner mit Psycho-Krempel. Ich lebe damit, aber das kann man nicht vergessen und die Zeit lindert den Schmerz auch nicht, im Gegenteil. Ich glaube, je älter ich werde, umso schlimmer wirds.
Früher bin ich weggelaufen, hab die Wohnung verkauft und bin auf Tour gegangen, heute halt ich's einfach nur aus.
Und habe trotzdem Spass am Leben. Ja, ich geniesse jeden Tag, freue mich, wenn ich liebe und geliebt werde und wenn nicht, geht's auch ohne.
Leben ist wundervoll, es warten tausende von Überraschungen auf einen, mal sind sie schön, mal weniger.
Eins verrat ich euch noch: Mit einer gesunden Portion Humor geht's besser, aber man muss auch mal zulassen, dass es einem scheisse geht.