Dienstag, 27. Oktober 2009

Von Intentionen und grobkörnigen Bildern

Schreiben ist Spass für mich. Mir gefällt es, mit Worten und Wörtern zu spielen, Sätze und damit Bilder zu konstruiren. Ganz selten kommt es vor, dass es mich drängt zu schreiben, gestern war so ein Tag. Ich habe den ich weiss nicht wievielen tausenden von darüber schon geschriebenen Seiten eine weitere hinzugefügt. Dass das im Ergebnis so ausgefallen ist, mag sicherlich auch am gestrigen Alkoholpegel gelegen haben. Es gibt solche Tage, Geburtstage, Todestage, Weihnachten oder mag es auch Ostern sein, da wird das Erlebte übermächtig. Hin und wieder auch mal einfach so. Eigentlich wollte ich etwas anderes schreiben, jedenfalls hier.
Nunja, Versuch gescheitert, könnte man sagen. Aufgrund der Kommentare werde ich die Geschichte jetzt mal ganz erzählen, vielleicht wird dann auch klar, was ich mit so einem Post ausdrücken oder erreichen will. Normalerweise habe ich keine grosse Message, bestenfalls geb ich hier gelegentlich den Bad Guy, an dem ihr euch kommentierenderweise auslassen könnt. Wenn ich euch mit kleinen Geschichtchen und Episoden aus meinem Leben unterhalten kann, genügt mir das eigentlich. Andererseits -man beachte bitte mal die Kategorien, hier besonders "Alles halb so wild" - heisst das Grundprinzip: Man kann alles aushalten, jeden Nackenschlag wegstecken, um danach stärker als zuvor dem Leben entgegenzutreten, Tja, und manchmal, da tritt das Leben eben nach.

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Kurz vor Weihnachten 1987, die Einkaufsstrassen sind wie üblich schon seit 2 Monaten festlich kitschig dekoriert, worüber sich zwar jeder aufregt, aber dennoch in die Geschäfte rennt und Geld ausgibt, das er eigentlich nicht hat. Demian und Honey haben es. Sie haben in nichtmal anderthalb Jahren aus Thommy's mickriger Rock'n Roll-Klitsche ein florierendes Unternehmen gezaubert, wobei Honey's Part weitestgehend darin besteht aufzupassen, dass Demian nicht abhebt und seine Risikobereitschaft überreizt. Demian will noch eine Überraschung für Honey organisieren und muss sie dafür in der Unterhaltungselektronik-Abteilung parken. Als er zurückkommt, ist dort die Hölle los, aufgeregte Menschen drängeln sich um den Körper, der sich in wilden Zuckungen am Boden krümmt. Demian denkt noch, es sei eine ihrer üblichen, manchmal recht bösartigen Scherze, doch sie hört nicht auf damit.
2 Tage Krankenhaus bringen keinen Befund und sie sagt, sie wüsste von nichts mehr.
Es vergehen 2,3,4 Wochen und die Normalität kehrt wieder ein, allerdings geht sie in dieser Zeit zur Psychotherapie, wovon Demian nichts ahnt. Er weiss auch nicht, dass sie daheim sitzt und sich die Augen ausweint, während er schon wieder ganz in seinem Metier ist und dem Vorfall kaum noch Bedeutung zumisst. Auf ihre wilden Träume angesprochen, erklärt sie nur, irgendwelchen Mist geträumt zu haben.
Tun wir das nicht alle gelegentlich?
Nein, nicht in der Form und nicht so heftig. Wir wachen nicht schreiend auf, wir flehen auch nicht:"Nein, bitte nicht." Stundenlang.
Gespräche bringen nichts, sie verschliesst sich. Nach einigen Nachforschungen wird Demian klar, mit was er es zu tun hat: sexuelle Gewalt. Jedoch denkt er eher an eine Vergewaltigung. Fataler Fehler.
Am 30.03.1988 fährt er abends heim. Er schliesst die Tür auf. Geht ins Wohnzimmer.
Da hängt sie. Das Gesicht verfärbt. Kein Puls, kein Atem. Tot. Wahrscheinlich schon seit Stunden. Der Körper kalt. Er schneidet sie ab.
Auf dem Tisch liegt ein Abschiedbrief, Demian liest ihn. Nach der letzten Zeile ruft er seinen Bruder an, der soll sich um Polizei und sowas kümmern. Demian setzt sich ins Auto und fährt die knapp 400 km bis zum Haus ihrer Eltern. Er will wissen, warum.
Er will wissen, was einen Mann dazu bringt, sich an seiner eigenen kleinen Tochter zu vergehen. 4 Jahre lang.
Und danach wird er dieses kranke Hirn zu Matsch hauen.
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Dass ich dies heute aus Barcelona und nicht aus Santa Fu schreiben kann, verdanke ich seinen Nachbarn sowie der herbeigerufenen Polizei, die es irgendwie geschafft haben, dass noch ein bisschen Leben in ihm war, als sie mich wegzerrten.
Dafür haben sie mich verurteilt, 18 Monate, von denen ich 12 abgesessen habe.
Ich bin nicht gerade stolz auf das, was ich getan habe - aber ich würde es immer wieder tun.
Ich hoffe, er wacht jede Nacht seines verschissenen Lebens auf und sieht mich vor sich, spürt die Schmerzen, hört seine Knochen knacken und wenn er stirbt, werde ich auf seinem Grab tanzen. Er hat mir das Wertvollste genommen, was ich jemals hatte.
Ich hasse ihn so sehr, dass es mich manchmal, nach über 21 Jahren, immer noch treibt, hinzufahren und ihn zu töten. Und ich hasse seine Frau, Honey's Mutter. Sie ist immer noch bei ihm und ich frage mich oft, wer von beiden der Schlimmere ist.

Das ist die Geschichte von Honey und mir.
Und komm mir bitte keiner mit Psycho-Krempel. Ich lebe damit, aber das kann man nicht vergessen und die Zeit lindert den Schmerz auch nicht, im Gegenteil. Ich glaube, je älter ich werde, umso schlimmer wirds.
Früher bin ich weggelaufen, hab die Wohnung verkauft und bin auf Tour gegangen, heute halt ich's einfach nur aus.
Und habe trotzdem Spass am Leben. Ja, ich geniesse jeden Tag, freue mich, wenn ich liebe und geliebt werde und wenn nicht, geht's auch ohne.
Leben ist wundervoll, es warten tausende von Überraschungen auf einen, mal sind sie schön, mal weniger.
Eins verrat ich euch noch: Mit einer gesunden Portion Humor geht's besser, aber man muss auch mal zulassen, dass es einem scheisse geht.

12 Kommentare:

Mem hat gesagt…

Ach Demian. :-*

Jemanden wie Dich hätt ich früher gern als Freund gehabt.

ICH finds gut, was Du getan hast. (okay, die 18 Monate dafür sind...nicht...fair. Irgendwie. Aber soläuft unser fucking Rechtssystem nunmal :-|)

Ich würd's übrigens schlimm finden, wenn Du nie zeigen würdest, dass es auch Dir mal shice geht. Es gehört zum Leben dazu. Und: es macht einen zum Menschen. Irgendwie.

Und Du bist einer. Definitiv. Sogar mit Herz. ;)

Mem,
der jetzt mal stupidiert anstatt hier rumzuduseln

Mem hat gesagt…

P.S.: und weil ich dazu jetzt gar nichts gesagt habe und das evtl. falsch wirken könnte: die Story ist verdammt hart. Aber das brauch ich Dir am allerwenigsten sagen. Und deswegen tu ichs auch nicht.

daria hat gesagt…

Je mehr Zeit ins Land zieht, desto häufiger kommen die Gedanken "Was wäre heute, wenn...?" Und diese Gedanken sind es, die einen nicht damit fertig werden lassen.

Warum aber auch fertig werden wollen? Ist das nicht das Gleiche wie Davonlaufen? Man ist erwachsen, man erträgt den Schmerz, weil er immer da ist und immer da sein wird.

Zum Glück denkt man nicht immer, "was wäre, wenn ...", sondern lebt sein Leben die meiste Zeit weiter, befaßt sich nicht mit den Abgründen, welche in den Erinnerungen lauern.

Warum auch? Die Abgründe sind da, ob man sie beachtet oder nicht. Also kann man sie auch einfach die meiste Zeit ignorieren, denke ich mir. In diesem Sinne ...

(Ich hoffe, das fällt nicht unter die Kategorie Psycho-Krempel)

Blossom hat gesagt…

Bin mir jetzt nicht ganz sicher, was mit Psychokram gemeint ist.
Ich denke mir immer, dass ein paar mitfühlende Worte gar nicht sooo übel sind.

Ein "Was soll's, das Leben geht weiter" erscheint mir da unangebracht.

Also halte ich mich in diesem Falle dann mal an das Motto: "Einfach mal die Fresse halten."

Mika hat gesagt…

Sitz jetzt seit etlichen Minuten hier und will irgendwas schreiben, was dem gerecht werden könnte, doch da gibt es nichts.

Das meiste hab ich mir vorher schon gedacht, doch mit den dazugehörigen Bildern haut es mir direkt in den Magen.

Entschuldige. Mir fehlen die Worte. Ich bewundere dich für das, was du getan hast. Trotz allem.

.. Aku Soku Zan ..

Silberblut hat gesagt…

Also, ich würd auch gern irgendwas tolle schreiben, aber mir fällt nicht wirklich was ein...

Ich bin beeindruckt, dass du den Mut dazu hattest.

Ich mag dich, Onkel.

Demian hat gesagt…

Mem, schön, dass du mich auch so siehst...sind wa schon 2^^

Daria, ich verstehe unter "damit fertig werden", dass es nicht dein Leben bestimmt. Beispielsweise muss man aufpassen, damit keinen anderen Leuten aus seinem (nächsten) Umfeld zu schaden...oder in Selbstmitleid zu vergehen...vermeiden, dass sich Neurosen oder gar Psychosen bilden (soweit man das kontrollieren kann)
Und das meinte ich mit Psycho-Krempel, Dr.B, die sich natürlich wieder angesprochen fühlte.^^
Easy, Mädel. Und hier braucht keiner "die Fresse zu halten", aber ich reagiere bei einigen Sachen sehr allergisch und will keine theoretischen User-Manuals "Wie bewältige ich meine traumatischen Erlebnisse" lesen.
Das bezieht sich beispielsweise auch auf Gewalt gegen Schwächere, seien es Kinder, Frauen, Alte oder Minderbemittelte, egal, ob es sich dabei um psychische oder physische Gewalt handelt. Da legt man sich besser nicht mit mir an. Aber das weisst du ja schon...

Danke euch, Mika und Silberblut.
Ich mag mich auch^^ ... meistens jedenfalls. Und Mut gehörte da nicht zu, glaub ich...das war eher ein völliges Durchdrehen...aber wie gesagt: Ich würd's immer wieder tun, das (zumindest das) war ich ihr schuldig

daria hat gesagt…

Ok, ich verstehe unter "damit fertig werden", es hinter sich zu lassen, nach vorne zu sehen, den "Heilschlaf" zu schlafen und danach wird alles wieder gut, alle bösen Erinnerungen haben plötzlich eine sinnvolle Lektion in sich ... dieses Blabla vonwegen "Die Zeit heilt alle Wunden".

Und das ist meiner Meinung nach Quatsch, denn der Schmerz bleibt, man lernt nur hoffentlich, den Schmerz zu ertragen, wenn er sich mal wieder ins Bewußtsein schleicht, was er aber zum Glück nur selten macht. Solange man dabei nicht die von dir genannten Eigenschaften entwickelt, ist alles gut.

Ok, vielleicht ist die Einstellung nicht die Beste und Korrekte, aber es ist meine ganz Persönliche. ^^

Mika hat gesagt…

Ich glaube, ich würde mit sowas gar nicht fertigwerden _wollen_. Vielleicht ist das wieder mein Masochisten-Gen, aber... wenn ich mir vorstelle, sowas erlebt zu haben, dann würd ich den Leuten an die Gurgel springen, die mir sagen würden, dass alles irgendwann gut wird wenn man nur positiv nach vorne schaut.

Manchmal verfluche ich meine empathische Seite xD - ich denk seit gestern die ganze Zeit hierüber nach weils mich tierisch beschäftigt und finds echt ganz, ganz furchtbar (womit ich jetzt weniger das Nachdenken meine, sondern die ganze Sache an sich) und wenn ich Dinge schreibe wie "du tust mir leid", dann mein ich das in diesem Fall grad wirklich... genau so. Und zwar so richtig und ehrlich. :-(

Ich weiß nicht, ob ich nach sowas... weitermachen könnte. Nun, vl würde mir nichts anderes übrig bleiben, aber der Gedanke alleine reicht grade aus, dass mir unglaublich schlecht wird.

'Das Leben ist ein Arschloch' - ist noch untertrieben, manchmal muss es die Hölle sein.

Silberblut hat gesagt…

Ich möchte doch noch was sagen.

Ich finde "Honey" total schön.
Also, als Kosename.
Ich weiß ja nicht, ob du sie wirklich so genannt hast.

Aber das drückt so viel Liebe aus... wirklich schön.
Ich habe dazu das Bild von einer wirklich wunderschönen Frau im Kopf.

Silberblut hat gesagt…

Ich möchte doch noch was sagen.

Ich finde "Honey" total schön.
Also, als Kosename.
Ich weiß ja nicht, ob du sie wirklich so genannt hast.

Aber das drückt so viel Liebe aus... wirklich schön.
Ich habe dazu das Bild von einer wirklich wunderschönen Frau im Kopf.

Demian hat gesagt…

Daria: Deine Einstellung ist absolut richtig, ich "handhabe" das ähnlich. Weiss nicht, was dir passiert ist, aber ich gehe absolut konform mit dir, was diese Dummlaberei betrifft, die Leute abseiern, die keine Ahnung haben, wovon sie reden.
Es handelt sich schliesslich nicht um 'nen gestorbenen Goldhamster... 8(

Mika San, ich danke dir (und dass du's absolut ehrlich meinst, hätteste nicht dazu schreiben brauchen)

Nein, Silberblut, ich hab sie nicht Honey genannt, jedenfalls nicht prinzipiell.
Ich glaube, jeder Mensch aus meiner Generation, kennt das Lied "Honey".
Es ist die Hymne schlechthin, wenn ein geliebter Mensch plötzlich stirbt (und damit mein ich nicht die Omma mit 97)
Für mich umsomehr, weil zwei Textzeilen zusätzlich zutreffen:
Die Überraschung mit dem Hund und dass sie mal mein Auto atomisiert hat...
Und was die Schönheit betrifft:Du kennst doch sicher Cindy Crawford..., denk dir das Muttermal oder was auch immer sie da hat, weg.